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Der neue BERNER Heft 104 –
DER BERNER digital

Vorwort BERNER 104
Das Nibelungenlied als Zerrspiegel der Thidrekssaga

Rolf Badenhausen

Ohne diese beiden Überlieferungen hätte es den Stellenwert von Ritter-Schaumburgs ‚nordwärts ziehenden Nibelungen‘ nicht gegeben. Und so erweist ein Blick in das BERNER-Register „Beiträge“ via Suchwort „Nibelungen“ auch unser Interesse an der tiefgründigen Literalität des oberdeutschen Nibelungenstoffs.
Hierzu liegt uns ein aktueller Forschungsbeitrag von Dr. phil. Ulrike Ritter vor, den sie unter dem Titel „SCHACH dem HELDEN. Die christliche Etablierung eines leidenden Heldentypus im Nibelungenlied“ auf der diesjährigen Tagung der Nibelungenlied - Gesellschaft Worms e.V. vorgetragen hat.
Die Autorin verdeutlicht den transliterarischen Übergang von heroischen Figurenprojektionen der Antike bis zu den Siegfried- und Hagen-Darstellungen im Liedepos, das aber auch den Wandel in leidende und betrauerte Gestaltenbildnisse im hochmittelalterlichen, nachhaltig von byzantinischen Kulturwerten geprägten Literaturmilieu erkennen lässt.
Dazu verweist U. Ritter in ihren beispielhaften Textuntersuchungen des Nibelungenlieds vor allem auf den Hortus deliciarum  von Herrad von Landsberg. Ihr Wirken sowohl als Enzyklopädistin als auch signifikante Wegbereiterin eines den christlichen Wandel weiter forcierenden stauferzeitlichen Kulturwesens sollte sich im „Superbia“-Ethos des Heldengedichts widerspiegeln – so vor allem in seiner Darstellung von Kriemhilds Trauer um Siegfried. Zum anderen exploriert U. Ritter nicht nur für ihn, sondern auch für das Psychogramm seines Mörders sowohl atmosphärische als auch wesenstypische Parallelen aus der Sagen- und Götterwelt des panhellenischen Heros Herakles. Ihr Beitrag, der für unsere Forschungsrichtungen interessante neue Perspektiven bietet, befindet sich auf unserer Forum-Netzseite unter „Aufsätze und Beiträge“.
Gleich zwei Beiträge in diesem BERNER widmen sich einem vorspringenden Topos aus U. Ritters Forschungsvortrag: die Flussüberquerung der Nibelungen. Sie zählt aber auch zu einem der herausragendsten Identifizierungskriterien in Ritter-Schaumburgs Thidrekssaga-Forschung. Zu dieser Episode, dem Drama über Hagens Begegnung mit den „Meerweibern“ und dem Fergen, hinterfragt K. Weinand die Wirkungskraft der griechischen Mythologie – so mit ihrem Herakles, ihren Sirenen-Nymphen, ihrem Charon – auf die Erzählungsgestaltung sowohl vom Lieddichter als auch Saga-Skriptor.
Weinands Ausführungen, die in redaktioneller Begleitung von U. Ritter kommentiert wurden (hier S. 26–28), bilden zugleich eine Einleitung in meine anknüpfende textkritische Untersuchung der Flussüberquerung einerseits im Reimepos, andererseits in der Thidrekssaga. Demnach finden sich in diesem Beitrag weitere Überlegungen zur „Überlieferungshierarchie“ beider Großwerke, wozu jedoch auch ein unvermeidbarer Blick die Heldenlieder der Älteren (!) Edda geworfen wird.
Auf die Spuren eines längst in Niederdeutschland vermuteten Überlieferers der altskandinavischen Dietrichsage begibt sich ein weiterer Beitrag, der nicht nur biblisch-christliche Rezeptionsmotive in der Thidrekssaga sondiert, sondern auch textcharakteristische Erzählungswendungen für den Rückschluss auf eine von Teilen der Forschung angenommene monografische Großvorlage anbietet.
Wie bereits in unseren Online-Vereinsnachrichten zu lesen steht, wird die abgesagte „Jahrestagung 2025“ im kommenden Frühjahr auf unserer Jahrestagung 2025/2026 nachgeholt. Dazu bereits mehr in diesem Heft von unserem Vorsitzenden und Tagungsorganisator Edo Oostebrink, der (S. 63) einer engagierten Teilnahme an diesem Frühjahrskolloquium gerne entgegensieht.
Insoweit schließen sich auch Vorstand und Redaktion des BERNER diesem Wunsch an. Denn schließlich steht der verfügbare Raum unseres Forum- und Vereinsorgans nicht nur allen derzeit leider nur sehr wenigen aktiv beitragenden Mitgliedern, sondern auch einer forschungsthematisch relevanten und somit willkommenen Leserschaft zur Verfügung.

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